Gut ein Monat ging ins Land ohne ein Lebenszeichen von mir. Dass soll sich hiermit ändern, und zwar auf schaurig schreckliche weise...
Nicht wirklich, aber da ja dieses Wochenende Halloween ist, ist die allgemein schon unerträgliche Radiowerbung noch schlimmer und alles ist schaurig und schrecklich. Na ja, das färbt halt ab.
Also, fangen wir mal mit dem Wochenende vom 02. bis zum 04. Oktober an: Da war ich in Montreal, beim Auslandstreffen der Studienstiftung. Im Vorfeld wurde es ein wenig spannend, da es Schwierigkeiten mit meinem DS2019 (im Prinzip meine Aufenthaltsgenehmigung) gab: Dieses muss nämlich vorher unterzeichnet werden, damit ich das Land verlassen bzw. vor allem wieder einreisen darf. Im Prinzip nicht schwierig, doch wollte die amerikanische Post es beim ersten Versuch nicht mehr an mich zurückschicken. Als diese Hürde aber genommen war konnte ich um 04:00 mit meiner Reise über Washington nach Montreal beginnen. Im Flieger nach Montreal traf ich dann auch schon die ersten Kameraden, rein zufällig saß ich neben Georg aus Georgia. Der Weg vom Flughafen zur Jugendherberge war leider nur mit dem Taxi zu bestreiten. Ich hab’ bis heute nicht rausgefunden, wo genau diese eine Buslinie abfährt, die ich mir in Google Maps ausgesucht habe. Sie scheint bei genauerer Betrachtung in der Mitte des Rollfeldes zu beginnen... Nun, das Taxi war erschwinglich, und der Taxifahrer verstand uns, es sollte sich zeigen dass das nicht immer so sein muss, mehr dazu später. Die Jugendherberge „Auberge de Jeunesse de Montréal” war ein echt netter Schuppen und sei jedem Montreal Besucher ans Herz gelegt. Das gilt im Übrigen auch für den Rest von Montreal, ein wirklich schönes Städtchen! Doch auch abgesehen von der Stadt an sich, auch der Rest war klasse: Vom Vortrag über Multikulturalismus in Kanada über den Workshop „Wie Vati die Demokratie lernte“ der sich mit dem Anfang der Bundesrepublik beschäftigte bis zum phantastischen Dinner im „ Musée des beaux-arts de Montréal” wurde einiges geboten. Letzteres wurde von einer Stipendiatin mit Tango Argentino auf der Querflöte musikalisch untermalt. Am nächsten Tag sollte ich die Ehre haben u.A. mit ihr ein wirklich spannende Taxifahrt zum Flughafen zu genießen.
Bei dem Workshop wurden meine Qualifikationen in geschichtlicher Diskussion im Übrigen vom Dozenten bestens eingeschätzt: "Christoph, lesen Sie doch bitte die Überschrift für uns." - "Nun, ich interpretiere dass so..." - "Nein, bitte lesen Sie sie einfach vor."
Aber auch eine Stadttour und eine open bar im Club "Winston Churchill" wurden geboten. Letztere wurde für die Organisatoren beinahe zum Verhängnis: Als es ans bezahlen ging schienen es gewisse Probleme mit den Kreditkarten zu geben - in Deutschland würde die Beteuerung, die Studienstiftung des deutschen Volkes wird diese Rechnung sicher begleichen vielleicht ein gewisses Gewicht haben. Nicht so in Montreal, und so wurden unsere zwei Organisatoren bis drei Uhr in der Früh von Türstehern bewacht festgehalten, bis man sich einigte, deren Personalien polizeilich festhalten zu lassen.
Ich sollte vielleicht erwähnen, dass das ganze Auslandstreffen von McKinsey mit gesponsort wurde und dass deren Kreditkarten am nächsten Tag ganz vorzüglich funktionieren.
Am letzten Tag besuchte ich dann nach den abschließenden Vorträgen noch ein Restaurant, welches sich der Schokolade verschrieben hatte. Der Kakao im "Grandma Style" war wirklich beeindruckend und sollte meinen Kalorienbedarf für die nächsten 24 Stunden decken. Danach ging's mit dem Taxi zum Flughafen. Einziges Problem war, dass unser Taxifahrer dem Englischen nicht wirklich mächtig war. Außer "Airport" und "Taxi" verstand er nicht viel, und außer "No Problem!" sprach er nicht sehr viel, letzteres dafür ununterbrochen. Dass einer der Insassen vorher noch seine Koffer bei der Uni abholen wollte sorgte da für gewisse Schwierigkeiten. No Problem! Als wir es dann bis zur Uni geschafft hatte war da leider zu - was blöd war, da sich neben dem Koffer auch der Reisepass unseres Kollegen im McGill Faculty Club befand. Während er also leicht panisch die Optionen überdachte und unser Querflötistin um ihren Flug bangte, versperrte unser Taxifahrer munter die Straße. No Problem! Glücklicherweise tauchten nach ein paar Minuten zwei Stiftis mit den ersehnten Gepäckstücken auf. Leider passten sie nicht mehr ins Taxi, doch als wir uns auf deutsch darüber unterhielten dass die auch eins bräuchten verstand unser Fahr das auf Anhieb und versuchte, seinen Kumpel zu uns zu lotsen. Merke: Wenn man einen Straßennamen falsch buchstabiert, kann man ihn im Navi nicht finden. Das ändert sich interessanter weise auch nicht mit steigender Lautstärke. Nun, die Schlange hinter uns wuchs. No Problem! Irgendwann fuhren wir dann doch los, irgendwann kamen wir auch an. No Problem!
Wieder in Buffalo wurde ich dann von meinen Eltern vom Flughafen im Empfang genommen, das war wirklich großartig. Leichte Schwierigkeiten bereitete dann noch die Heimfahrt, so ein Parkplatz kann aber auch groß sein wenn man sich nicht gemerkt hat, wo man das Auto abgestellt hat...
Die nächsten Abenden gingen wir dann gelegentlich gemeinsam Essen und hatten eine echt gute Zeit. Leider versaute mir mein Lieblingskurs "Optimization" die Möglichkeit, mit meinen Eltern am folgenden Wochenende wegzufahren, da für Montag ein Test und über das Wochenende ein take-home-exam angesetzt war, was mich wirklich, wirklich geärgert und traurig gemacht hat. Um wenigstens ein wenig vom Wochenende zu haben veranstalteten wir bei Matthias am Samstag Abend einen russischen Abend mit viel Bortscht, Wodka, Rum, Musik und Tanz bis drei Uhr morgens - großartig! Danach brachte uns ein freundlicher Taxifahrer zum Nordkampus und ich ging ins Labor um meine Sachen abzuholen. Dort traf ich dann Max bei der Arbeit. Ich hatte nach diesem Abend echt gute Laune, aber irgendwie kam das Gespräch auf Optimization und ich redete mich so was von in Rage in meinem angetüddelten Zustand und verließ irgendwann wutschnaubend und fluchend das Lab - Max lacht heute noch.
Optimization, dass muss man sich so vorstellen: Ich stehe blind auf einem Berg und will ins Tal. (An meine Aachener "Kommilitonen": währen ich diese Zeilen schreibe wird mir klar, warum mir das ganze so einfach erscheint: durch die harte Schule des Dr. Stefan!) Nun, das ist im echten Leben nicht schwer, das ist es auch in diesem Kurs nicht. Um an dieser Stelle meinen ehemaligen Geschichtslehrer "Dr." Dräger zu zitieren: Quark, der getreten wird wird breiter, aber nicht härter!" Das passt hier so schön, da wir u.A. für eine Hausaufgabe immer wieder das selbe machen musste. Das dauert dann ca. 15 Stunden und am Ende bekommt man 80 von 100 Punkten, weil irgendwelcher Kleinkram falsch war. Höchst motivierend.
Die restlichen Kurse machen hier übrigens echt Spaß, ein Kurs (mehr ein Seminar) bei Dr. P.C. Cheng sei besonders hervorgehoben. Der Mensch unterrichtet sowohl im Electrical Engineering Department als auch in der Medical School und hat unter anderem mal im Bereich Agricultural geforscht. Aber nicht nur irgendwie so, der Mann ist richtig gut. Und nebenbei hat er auch noch witzige Anekdoten auf Lager: Als er mal während seiner Zeit bei IBM lehre Chemikalienflaschen entsorgen musste (in denen nie etwas gefährliches war) wurden diese nicht akzeptiert ohne genaue Deklaration. Also beschriftete er sie: 78% Stickstoff, 21% Sauerstoff, 1% Argon.
In diesem Kurs sitze ich übrigens neben einer Chinesin, die mich u.A. in die hohe Kunst des "Chinglish" eingewiesen hat: Das sind direkte Übersetzungen aus dem Chinesischen, wie z.B. das eingangs genannte "Long time no see!". Was "People Mountain, People Sea" bedeutet ist eventuell zu erraten, aber könnt ihr euch wohl vorstellen, was "Horse Horse, Tiger Tiger" bedeutet? In dieses Gespräch nach der Vorlesung klinkte sich der Professor übrigens mit ein und erzählte von verunglückten Übersetzungen in chinesischen Restaurants: Da wurde zum Beispiel aus einem jungen Huhn, dass man wohl auch als "jungfräuliches Hühnchen" lesen kann letztendlich "chicken with no sex". Guten Appetit!
Von meiner Kommilitonin bekam ich auch chinesische Knoten geschenkt, für meine Eltern. Mit denen fuhr ich am folgenden Wochenende nach Toronto. Mal abgesehen davon dass wir wieder unverschämtes Glück mit dem Wetter hatten ist Toronto auch so ein sehr schönes Städtchen. Ich war jetzt auf dem nach eigenen Angaben höchsten Turm der Welt (man muss hier zwischen 'Gebäude' und Turm unterscheiden...). Sehr beeindruckend. In Montreal hatte ich übrigens Marie kennengelernt, die in Toronto studiert. Ich hatte sie zwar kurz vor unserer Abreise angeschrieben, aber leide keine Zeit mehr gehabt, die Antwort zu bekommen. Machte aber auch nix, sie lief uns mitten in Toronto über den Weg - die Stadt hat ja auch mal gerade 2,5 Millionen Einwohner. Und mindestens ein sehr leckeres Thailändisches Restaurant. Auf dem Weg nach Toronto machten wir halt in dem wunderschönen Städtchen Niagara on the Lake und beim, nun, auch sehr schönen Sir Adam Beck Wasserkraftwerk. Alles natürlich zu bewundern unter meinen Fotos.
Am letzten Wochenende war ein Videoabend bei Matthias angesetzt. Wenn auch das Video nicht jedermanns Geschmack entsprach (im Endeffekt eigentlich niemandes), der Rotwein und der Käse war echt spitze!
Was mich zu einem echt spannenden Vortrag eines französischen Dozenten über Entscheidungsprozesse im Gehirn bringt. Als Grad Student bin ich verpflichtet, am Graduate Seminar teilzunehmen. Das ist mal spannender, mal weniger. Dieser Vortrag war Spitzenklasse. Wenn ich hingegen an den Vortrag über Hochleistungskompressoren denke muss ich jetzt noch lachen: Irgendwann präsentierte man uns das doppelt logarithmische "Kompressor Selection Chart" mit den wildesten Kurven, das musste ich wegen seines künstlerischen Wertes fotografieren - langweiligster Vortrag ever!
Aber zurück zum letzten Wochenende: Am Sonntag unternahm ich mal wieder einen Ausflug in den Letchworth Park. Über die Herbstfarben werde ich keine Worte verlieren, schaut euch die Fotos an. Als wir uns nach unserer Wanderung auf den Rückweg zum Auto machen wollten fing es schon an zu dämmern - so dass eine freundliche Anwohnerin kurzerhand ihre Kinder wieder aus dem Auto auslud und uns zurückfuhr, einfach klasse. Auf dem Weg erzählte sie uns dass ihr Sohn zu jagen angefangen habe, sie und hier Mann täten das ja nicht , das habe er von seinen Cousins. Die Schrotflinte, die sie ihm zum 14. Geburtstag schenkten wäre auch die erste Waffe, die sie je gekauft hätten.
Bobby McGee ist umgezogen, und das finde ich eigentlich schade. Bobby McGee, das war war ein leicht schäbiger netter Jazzschuppen in der Nähe des Südkampus mit ziemlich netter Atmosphäre, ich berichtete bereits davon. Jetzt ist es eine fast schon schickes Etablissement in einer dieser seelenlosen Straßen mit Restaurants, Supermärkten und Shoppingmalls. Nun, die Musik ist noch immer die selbe, das essen ist etwas teurer. Aber irgendwie hat es mir früher besser gefallen. Jetzt bin ich gerade drei mal im alten Laden gewesen, und schon fang' ich an zu nörgeln dass es früher besser war - schlimm, oder?
Nun, jetzt ist auch schon wieder der nächste Tag und ich sitze im Labor um an einem Projekt zu arbeiten. Damit dieser Eintrag dann doch mal fertig wird erzähle ich euch beim nächsten mal wie ich Kofi Annan, Tony Blair und Steve Lopez getroffen habe. Und wer Steve Lopez eigentlich ist. Bis dahin, liebe Grüße aus Buffalo!
P.S. Es gibt neue Fotos!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen